Infrastruktur ca. 1952 bis 2019



Wir haben am Währinger Gürtel gewohnt und ich wurde 1948 geboren. Eine meiner
frühesten Erinnerungen ist die Umstellung von Gleich – auf Wechselstrom. Mein
Vater war besorgt wegen der Umrüstungs-Kosten. Dabei hatten wir nur ein Radio
(Volksempfänger) und einige Glühbirnen. Von Kühlschrank und Waschmaschine
war noch keine Rede, Fernsehen gab es nicht, von Computern ganz zu schweigen.
Wir hatten Gas, damit wurde auch das Bügeleisen gewärmt, geheizt wurde mit
Briketts die ein bedauernswerter Kohlenausträger in 50 Kilo Säcken in den 3.
Stock schleppte.

Der Verkehr war idyllisch. Man durfte am inneren und äußeren Gürtel in beide
Richtungen fahren. Unser Kinderarzt hat meiner Mutter empfohlen mit dem
Kinderwagen am Gürtel spazieren zu gehen. Ich erinnere mich noch gut an die
Straßenbahn der Linie 8, einen O-Bus nach Döbling und natürlich an die
Stadtbahn, die später durch die U6 ersetzt wurde. Meine Großmutter hat als
Kind am Linienwall, der später der Stadtbahn und der U6 diente, noch gespielt.

Meine frühen Erinnerungen sind mit Parks verbunden. besonders mit dem
Währinger Park, der bequem zu Fuß zu erreichen war, man konnte aber auch ein
oder zwei Stationen mit dem 8er fahren.
Schöner und größer als der Währinger Park war der Türkenschanzpark und der
Pötzleinsdorfer Schlosspark auch Geymüller-Park genannt, beide mit dem 41er
erreichbar. Der Türkenschanzpark zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass
sich in seiner unmittelbaren Nähe ein zweiter, sehr kleiner Park befindet, der
Kainz Park, dem großen Burgschauspieler gewidmet. Gerade in meiner Kindheit
wurde im Türkenschanzpark ein Kinderspielplatz errichtet und, warum auch immer,
eingezäunt. Das Highlight dieses Spielplatzes war ein Feuerwehrauto auf dem man
herumklettern konnte. Wurde natürlich später als zu gefährlich entfernt. Im
Geymüller-Park gab es Seen und Tümpel die eine besondere Anziehungskraft auf
mich ausübten. Die steilen Wiesen des Geymüller-Parks konnte man im Winter zum
rodeln verwenden.

Erfreulicher Weise existieren die Parks meiner Kindheit auch heute noch. Von den
Bädern kann man das leider nicht behaupten.
Im Währinger Park gab es ein Kinderfreibad. Freibad hatte zwei Bedeutungen: Es
war im Freien und für Kinder und ihre Begleitpersonen gratis. Gibt es noch
Kinderfreibäder? Das im Währinger Park gibt es jedenfalls schon lange nicht
mehr. Oft waren wir auch im Hohe Warte Bad, leider aufgelassen. Es zeichnete
sich durch ein überdachtes Schwimmbecken aus, so dass man auch bei Regen
schwimmen konnte ohne nass zu werden. Gerne denke ich noch an den Eishockey
Automaten im Kästchen Trakt. Das Gänsehäufl haben wir nur selten besucht,
weil es doch ziemlich weit war. Im Gänsehäufl und im Prater gab es ein
Kasperltheater. Allerdings wurde später das Schafbergbad errichtet, das ich oft
aufgesucht habe. Als Schüler des RG19 hab ich natürlich oft das Krapfenwaldl
Bad besucht und manchmal habe ich mir das private Sieveringer Bad geleistet. Im
Winter habe ich mit meiner Mutter auch oft Hallenbäder besucht und zwar das
Jörgerbad und das (alte) Dianabad. Das Dianabad war in einer kriegsbedingten
Ruine eingebettet aber in Betrieb und sehr schön. Später wurde es abgerissen
und durch einen gesichtslosen Neubau ersetzt. Als hätte der Abriss dieses
Juwels einen Fluch verursacht ist aus den Nachfolgern des Dianabades nichts
geworden und es steht jetzt vor seiner endgültigen Einstellung.

Schon relativ früh haben wir ein Telefon gehabt. Natürlich ein viertel Telefon
mit ZYLMURBAFI IFABRUMLYZ – vielleicht erinnert sich noch jemand. Mein Vater
hatte ein Fotogeschäft und war der Meinung, er als Geschäftsmann müsste
erreichbar sein. Das Wiener Telefonbuch war damals sehr dünn. Dennoch gab es
einen Teilnehmer, der den selben Namen und akademischen Grad hatte wie mein
Vater. Der wurde öfter von der Polizei gesucht….. Als der Satellit Sputnik um
die Erde gekreist ist konnte man über eine Service Nummer (ja so was gab es)
sein Piepsen hören – Faszinierend.

Vor dem Fernsehen haben die Kinos eine große Rolle gespielt. Etwa 10 Kinos
konnte ich in bequemer Gehdistanz erreichen. Aber auch das Burgkino und die
Urania waren nicht vor mir sicher. Als Kind habe ich die üblichen Disney
Kinderfilme gesehen, etwas später viele Naturfilme auch von Disney aber auch
von Grzimek, und Hans Hass und vieles andere. Besonders habe ich die
Sommermonate geschätzt, den dann wurden alte Filme wiederholt.

Was die Kultur betrifft war und ist Wien kaum zu überbieten. Wir haben neben
der Volksoper gewohnt und meine Großmutter, die sehr Musik begeistert war hat
mich oft mitgenommen. Die Operetten der Zigeunerbaron, Nacht in Venedig,
Fledermaus, Bocaccio habe ich sicher mehrmals gesehen. Auch das erste Musical
„Kiss me Kate“ habe ich gesehen. Ich war total begeistert: Richtige
Menschen standen auf der Bühne und saßen im Orchestergraben. Die prunkvollen
Kostüme und das Bühnenbild die herrliche Musik und der Gesang – und alles
nur um das Fritzi zu erfreuen.
Als Student bin ich oft auf Stehplatz in die Oper gegangen. Und nachher in die
Elisabethstraße zum Gösser. Was das Theater betrifft so war ich im
Burgtheater, Volkstheater, Josefstadt, Kammerspiele, Theater an der Wien usw.
Die Museen sind prächtig. Die Niederländer im Kunsthistorischen werden auch in
Amsterdam und in Brüssel kaum überboten. In der Albertina hat mich die Dürer
Ausstellung sehr begeistert.

Das Jahrzehnt 1970-1980 kann man für die Infrastruktur Wiens nicht hoch genug
einschätzen. Ich sage nur: U-Bahn, Donau Insel, Süd-Ost-Tangente und die
ersten Bauten des neuen AKH.

Das werden einige nicht gerne lesen, aber es gehört auch dazu:
Die letzten 10 Jahre ihres Lebens (74-84) hat meine Mutter, als Folge eines
Unfalls, im Pflegeheim verbracht. Mein Vater war damals schon tot, also haben
sich meine Schwester und ich um sie gekümmert.
Am Ende ihres Lebens hatte meine Mutter krebsbedingt starke Schmerzen, die mit
ebenso starken Schmerzmitteln bekämpft wurden. Chemo – oder Strahlentherapie
waren im hohen Alter nicht mehr möglich. Diese Mittel waren nicht „gesund“
aber notwendig. Das soll eine Denkanregung zum Thema Euthanasie sein.

Es gehört natürlich noch viel zur Infrastruktur was ich nicht erwähnt habe.
Von der Müllabfuhr bis zur Hochschule.
Nur noch ein Wort zur Medizin: Die hervorragende medizinische Versorgung habe
ich im alten und im neuen AKH, na ja sagen wir, genossen.

Im Gegensatz zu meinen Eltern und Großeltern musste ich keinen Krieg erleben.
Auch Vertreibung, Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen blieben mir erspart.
Ich hatte das Glück die Hälfte meines Lebens in einer der schönsten Städte
zu verbringen. Vor 35 Jahren haben wir uns ein Haus in der Nähe von Wien
gekauft. Kreisky war Kärnten zu teuer, uns Wien. Wir haben aber noch ca. 25
Jahre in Wien gearbeitet.